Tetris-Effekt: eine Symbiose zwischen Videospiel und Realität

Der Tetris-Effekt ist nach dem beliebten Videospiel der 80er Jahre benannt. Der Begriff wurde 1994 von dem Journalisten Jeffery Goldsmith geprägt, nachdem er dieses seltsame Phänomen bei Tetris-Spielern beobachtet hatte. Im Grunde genommen, wenn wir uns über einen längeren Zeitraum auf eine sich wiederholende Tätigkeit konzentrieren, verarbeitet unser Gehirn diese Tätigkeit weiter, auch wenn wir sie nicht mehr ausführen, was zu aufdringlichen Bildern und Gedanken führt. In diesem Fall, wenn eine Person über einen langen Zeitraum Tetris spielt, beginnt ihr Gehirn, überall Formen zu sehen, sie könnte von fallenden Blöcken träumen oder alltägliche Gegenstände als ineinandergreifende Formen sehen.

Warum passiert das?

Unser Gehirn ist eine Mustererkennungsmaschine. Wenn wir Tetris spielen, konzentriert sich das Gehirn auf den Mechanismus des Videospiels: auf die Formen und wie man sie ineinanderfügt. Nach stundenlangem Spielen wird das Gehirn so gut in dieser Aufgabe, dass es sie auch dann weiter ausführt, wenn wir nicht spielen, als wäre es ein Hintergrundprogramm.

Dieses Phänomen ist als „kognitive Restbilder“ bekannt, also sich wiederholende Eindrücke, die im Kopf bleiben, ähnlich wie wenn uns ein Lied im Kopf bleibt (in diesem Fall sprechen wir von einem „Ohrwurm“) oder wir die Vibrationen des Telefons spüren, auch wenn es nicht klingelt. Dies zeigt die Fähigkeit des Gehirns, Erfahrungen zu speichern und wiederzugeben.

Der Tetris-Effekt und PTSD

Der Tetris-Effekt ist nicht nur eine Kuriosität, Wissenschaftler haben herausgefunden, dass er therapeutische Vorteile haben kann, insbesondere für Menschen mit posttraumatischer Belastungsstörung (PTSD). Eine Studie aus dem Jahr 2020 zeigte, dass das Spielen von Tetris 60 Minuten am Tag über sechs Wochen Flashbacks und PTSD-Symptome reduzieren kann.

Tetris Arcade

Die Neurowissenschaftlerin Emily A. Holmes von der Universität Uppsala erklärt, dass dieser Prozess passiert, weil „das Gehirn nicht zwei Dinge derselben Art gleichzeitig tun kann“. Mit anderen Worten, das Spielen von Tetris lenkt das Gehirn von traumatischen Erinnerungen ab und verhindert, dass es lebhafte Bilder des Traumas reproduziert, was zu therapeutischen Vorteilen führt.

Der Tetris-Effekt und Amnesie

Ein weiterer interessanter Aspekt des Tetris-Effekts ist, dass er auch bei Menschen mit Amnesie auftreten kann. Eine Studie aus dem Jahr 2000 von Robert Stickgold fand heraus, dass einige Patienten mit Kurzzeitgedächtnisverlust, die sich nicht daran erinnerten, am Vortag Tetris gespielt zu haben, dennoch von fallenden Blöcken träumten und sogar in der Lage waren, ihre Finger auf die richtigen Tasten des Computers zu legen. Dies deutet darauf hin, dass der Tetris-Effekt mit einer Form des impliziten Gedächtnisses verbunden ist, also einem unbewussten Gedächtnis, das unser Verhalten steuert, ohne dass wir es merken.

Tetris Bildschirmwiedergabe

Stickgold fand auch heraus, dass der Tetris-Effekt bei Anfängern häufiger vorkommt als bei erfahrenen Spielern. Dies deutet darauf hin, dass je unerfahrener das Gehirn in einer Tätigkeit ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass es diese Aufgabe in Träumen weiterverarbeitet.

Stickgold äußerte sich dazu folgendermaßen: „Er wusste nicht genau, was er tat, und dennoch wusste er, was er tat. In gewisser Weise ist dies Freuds Unbewusstes: Dinge, die in unserem Gehirn aktiviert werden, die tatsächlich Erinnerungen sind, die unser Verhalten steuern, aber nicht bewusst sind“.

Über Tetris hinaus

Abschließend beschränkt sich der Tetris-Effekt nicht nur auf die Funktionsweise des gleichnamigen Videospiels, sondern kann bei jeder sich wiederholenden Tätigkeit auftreten, wie Stricken, Autofahren oder Musikinstrumente spielen. Es handelt sich um ein interessantes Phänomen, das uns zeigt, wie plastisch und anpassungsfähig unser Gehirn ist und wie unser Geist, der immer in Bewegung ist, in der Lage ist, komplexe Muster zu lernen und zu erinnern, auch ohne dass wir es merken.

Quelle: https://www.mentalfloss.com/tetris-effect-psychology

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